Zu den jüngsten Sparplänen des Kantons Aargau
Mit dem Aufgaben-und Finanzplan 2016–2019 hat die Regierung ein Sparpaket vorgelegt, welches den Staatshaushalt um 100 Mio. Franken entlasten soll. Je nach dem, durch welche politische Brille man diese ‹Entlastungsmassnahmen› betrachtet, erscheint einem die Vorlage als unabdingbare und richtige Reaktion auf die zugespitzten ökonomischen Rahmenbedingungen (Aufhebung des Euromindestkurses, schwächeres Wirtschaftswachstum und verminderte Steuereinnahmen) oder aber als Folge einer falschen Steuerpolitik in Kombination mit einer finanzpolitischen Kurzschlussreaktion ohne Notwendigkeit und einer (allzu) einseitigen Fokussierung auf die Ausgabenseite speziell im Bildungsbereich.
Der Kanton Aargau hat die tiefsten Pro-Kopf-Ausgaben der Schweiz. Die Aargauer Bevölkerung hat im Rahmen der Leistungsanalyse im März dieses Jahres 15 Sparmassnahmen deutlich abgelehnt (unter anderem die Abschaffung des Berufswahljahres oder die Kostenbeteiligung im Freifach Instrumentalunterricht im Mittelschulbereich). Die Strassenkasse ist von den Sparbemühungen ausgenommen, was im Hinblick auf die maroden Staatsfinanzen nicht nachvollziehbar ist.
Gegen die Sparabsichten im Bildungsbereich haben die Verbände im Juni in Rekordzeit 7329 (!) Unterschriften gesammelt. Eine vom Kanton initiierte Arbeitszeiterhebung förderte 2008 unzähligen Lehrerinnen-und Lehrerüberstunden zu Tage. Die Lehrperson als Ferientechniker ist ein Mythos und das Volk des Sparens an der Bildung überdrüssig.
Wenige für alle?
Von den 34 Sparmillionen im Bildungsbereich betreffen 4 Mio. die Mittelschulen direkt. Hinter den harmlos anmutenden Abkürzungen E16-320-7, E16-320-8 und E16-320-9 verbirgt sich einiges an Zündstoff: Die Erhöhung der Pflichtpensen um eine Lektion, die Einführung einer Kostenbeteiligung für das Freifach Instrumentalunterricht und eine massive Reduktion der Sportlektionen in der WMS/IMS.
Dem Anhörungsbericht ist zu entnehmen, dass bei der Pflichtstundenerhöhung weder der Lohn noch die Jahresarbeitszeit tangiert werden. Durch die Erhöhung des Arbeitszeitanteils für das Berufsfeld ‹Unterricht und Klasse› reduziere sich lediglich der verfügbare Arbeitszeitanteil für das Berufsfeld ‹Schülerinnen und Schüler›. Folgende Leistungen können also in Zukunft (gemäss VALL §36) grösstenteils nicht mehr erbracht werden: Beraten und Betreu-en, Zusammenarbeit mit den Eltern und Zusammenarbeit mit schülerinnen-und schülerbezogenen Fachpersonen.
Elterngespräche werden also für unnötig erklärt, Elternabende abgeschafft; ob eine Schülerin oder ein Schüler ein Handicap hat oder eine besondere Begabung –ist ab sofort irrelevant.
Bei der zweiten Massnahme, der Einführung einer Kostenbeteiligung im Freifach Instrumentalunterricht, gilt es zu berücksichtigen, dass das Volk die Kostenbeteiligung im Rahmen der Leistungsanalyse bereits einmal abgelehnt hat (allerdings abstimmungstechnisch ungeschickt in ein Gesamtpaket integriert).
Die dritte Massnahme, die Reduktion der Sportlektionen an der WMS/IMS, zeigt die Hilflosigkeit der Sparanstrengungen sehr deutlich. Ohne stichhaltige Argumente wird ein Fach und damit eine Gruppe von Lehrpersonen überproportional stark getroffen. Durch die geplante Standortverschiebung der WMS nach Zofingen und der IMS nach Baden verschärft sich die Problematik im Bereich Sport zusätzlich. Die WMS und die IMS dienen leider erneut als planerische Manövriermasse und werden nicht als austarierte Bildungsgänge wahrgenommen. Oder wie fänden Sie es, wenn man zwecks Mehreinnahmen einige Quadratmeter der Aargauer Überlandstrasse verpachten würde?
Andere Ressourcen?
Ob das Sparvolumen in der geplanten Grössenordnung nötig ist, darüber kann man geteilter Meinung sein. Dass die Vorlage die Volksmeinung teilweise ad absurdum führt und im Bildungsbereich ein umfangreicher Leistungsabbau zu verzeichnen sein wird, ist dagegen nicht von der Hand zu weisen. Der Bildungskanton Aargauverliert an Substanz. –Höchste Zeit, dass wir nach anderen Ressourcen Ausschau halten und nach unseren Bodenschätzen graben … CHF155.10 betrüge der Pro-Kopf-Sparbetrag. Ich wäre in Anbetracht des geplanten Bildungsabbaus mit einer Überweisung einverstanden, und Sie?
Michael Bouvard, Lehrer für Bildnerisches Gestalten und Co-Präsident des AMV