Das (Un-)Ding, dies&das, Sage & Schreibe Nr. 18

Das Pausenbrot

Sie isst, nein, sie geniesst das Croissant. Dank der Geschmacksexplosionen, die dieses wohlduftende Gebäck mit sich bringt, laufen ihre Gehirnfunktionen sofort auf Hochtouren. Der mathematische Zwiespalt an der Tafel wird zur Routineübung.
„Sie wissen schon, dass Essen im Unterricht nicht gestattet ist?“
„Ja“, antwortet sie.
Eigentlich würde diese Frage ja keine Antwort verlangen, da sie schon so oft gestellt worden ist, dass jeder im Raum sie kennt. Nach zwanzig Mittwochmorgen. Mittwochmorgen. Croissantmorgen. Das Pausenbrot wird zum Lektionenbrot.
Eine prächtige Idee, die Lektion zum Festmahl machen! Ich werde dank dieser vollkommenen Neuaufbereitung des Themas „Pausenbrot“ nie mehr kläglich vor mich hin dümpeln müssen, weil ich das Pausenbrot, in meinem Fall meist einen abstossenden Getreideriegel, zu Hause vergessen habe. Wir werden nämlich teilen. Wir werden das Schülerpult zum Bankett machen.
Nein, der Unterricht wird nicht leiden. Gefüllte Mägen und gute Kost führen zu Raketenstarts in Sachen „Motivation“ oder „Kreativität“. Nie wieder wird ein Schüler Lektionen lang nur darüber brüten, weshalb er jetzt das Pausenbrot vergessen habe. Nie wieder wird einer aus Hungergründen eine Frage nicht beantworten können. Die Lehrer werden in einem Meer aus willigen Schülern baden.
Schon das Wort „Pausenbort“: antik, unbrauchbar. Heute wäre das „Snack“. Und steht irgendwo in diesem prägnanten englischen Wort etwas von Pause?
Wir erklären also das Pausenbrot für abgeschafft. Der Mittwochmorgen wird zum Croissantmorgen, offiziell.

Von Benjamin Bieri