2023, Aktuelles, dies&das, Kolumne, Sage & Schreibe Nr. 36

Menschenfresser

Von Ella Karg, G21K

Wenn wir an Krieg denken, dann spielt sich ein allzu bekannter Film vor dem inneren Auge ab. Panzer, Rauchwolken, tote Körper, Blut. Ein grausamer Film, und man schlägt die Augen sofort wieder auf. Ein Moment des Sich-schlecht-Fühlens und Mitleidens folgt. Dann wird alles unerträglich und man gibt sich erträglicheren Bildern, Gedanken und Gefühlen hin.

Wir Menschen tendieren zu Egoismus, Hierarchiedenken, Negativität, unter anderem auch zu schnellem Verdrängen. Das Problem dieses Abwendens, dieses Wegschauens: Wir vergessen. Nicht absichtlich, sondern ohne dass wir es bemerken. Das ist insbesondere in Kriegszeiten fatal, denn Menschen sterben nicht nur auf dem Schlachtfeld; ein Krieg zerstört viel mehr. Essenzielle Güter, aktuell ist das etwa Getreide aus der Ukraine, kommen nicht aus dem Land, worunter die dringend nötige Versorgung armer Länder leidet. Und Sanktionen treffen nicht nur die verantwortlichen Kriegstreiber, sondern vor allem die nicht privilegierte Bevölkerung. Jeder Krieg hindert auch Unbeteiligte daran, so zentrale, für uns alle überlebenswichtige Aufgaben wie Klimawandel, Bewahrung von Demokratie und Kampf für eine weltweite Durchsetzung der Menschenrechte zu bewältigen. Aber eben: der Krieg ist ein Menschenfresser. Und es scheint, er ist unersättlich. Sein grösster Triumph: das Verstummen unseres Protests. Wir dürfen Krieg nie akzeptieren. Wir dürfen nicht die Augen schliessen, uns nicht wegdrehen. Denn es geht immer auch um unsere eigene Zukunft.