2020, Alte Kanti, Menschen, Sage & Schreibe Nr. 31, Verabschiedung

Der Schmid-Geist über dem Kantitheater

Zur Pensionierung von Hans Schmid

Sei freundlich, niemals hochmütig, grüsse jeden. Auch zum Abschied. Morgens rufst du. Einen wunderschönen Morgen wünsch ich. Mittags. Der Herr beschütze Sie und Ihre Lieben. Und abends. Eine friedliche Nacht sei Ihnen sehr gegönnt.
Herzeloyde in «Parzival» von Lukas Bärfuss

Es ist Montagabend. Die schwere Türe, die zum Theater 49 führt, geht auf und ein Mann in bunten Hosen, Karo-Hemd und robustem Schuhwerk tritt lockeren Schrittes ein. Er trägt einen gepflegten Chico-Schnauz und eine rot umrandete Brille. Er hat den Schalk in seinen Augen, sein Blick ist wach und freundlich. Die treue Tabakpfeife lugt noch aus der Jackentasche. Ein entspannter Wanderer zwischen den (Theater-)Welten. Die Spielerinnen und Spieler treffen fröhlich schwatzend ein. «Hoi Heinz!» In den folgenden anderthalb Stunden wird bewegt und improvisiert, getanzt und gesungen, gebrüllt und geflötet, gelacht und geweint. Und natürlich Bühnendeutsch geübt. Was spielerisch aussieht, ist minutiös vorbereitet. Heinz Schmid ist humorvoll und konzentriert bei der Arbeit, ganz in seinem Element. Für ihn ist Theaterspielen nicht nur agieren, sondern insbesondere auch reagieren. Wer nicht zuhören kann, kann nicht mit anderen spielen, denn Spielen braucht Offenheit und gegenseitiges Vertrauen. Wenn es nicht so rund läuft, bleibt Heinz ruhig und aufmerksam. Er vermeidet jeglichen Aktionismus, denn in der Ruhe liegt seine Kraft. Er sagt: «Probier’s doch emal so …» Im besten Sinne ist Theater an der Kanti eine Art Lebensschule. Nicht wenige Ehemalige bezeichnen es gar als die wichtigste Erfahrung ihrer Kantizeit.
Heinz Schmid hat die beneidenswerte Gabe, immer wieder neue, befruchtende Orte für seine Stücke zu finden, wie zum Beispiel das Aareinseli, das Stadthöfli, das Krematorium, die Schwinghalle, das Naturama – oder die Werkstatt der Furkabahnen mit zwei ausrangierten Bahnwaggons, um welche eine berührende Geschichte entwickelt wurde. Gemeinsam ein Stück zu schreiben, ihm eine Richtung zu geben und es umzusetzen, wirkt bei allen Beteiligten sehr lange nach.
Wenn die Aufführungen nahen und die Intensivwoche losgeht, wird Heinz Schmid zum Regisseur. Dabei ist es ihm wichtig, warten zu können und darauf zu vertrauen, dass der Funke springt. Wie bei einem Salatsetzling, sagt er, den man wässern und düngen müsse. Wachsen aber werde der Setzling selbst, wenn die Wetterlage stimme.


[Bild: Annina Roth & Sarah Böhler]

Der legendäre «Schmid-Geist» schwebt nicht nur über dem Kantitheater, denn Heinz ist nicht nur passionierter Theaterpädagoge, Schauspieler, Regisseur, Musiker und Familienmensch, sondern leitet auch einen Chor und predigt ab und zu in der reformierten Landeskirche Aargau.
Nun wird Heinz Schmid pensioniert. Er wird seine Schülerinnen und Schüler am Montagabend vermissen. Sie haben ihn herausgefordert und zugleich mit ihrer Energie und Spiellust mit Zuversicht und Freude erfüllt. Man munkelt, dass er deshalb kaum graue Haare habe. Damit dies so bleibt, stehen im nächsten Jahr gleich drei neue Theaterproduktionen an. In einer davon spielt er selbst wieder mit.
Wir alle, die das Glück hatten, mit dir zu arbeiten, danken für deine grossartige Arbeit und blicken auf eine erfüllte Zeit mit dir zurück.

Arrivederci, Heinz, tanti auguri per tutto quello che ancora farai !

Von Andrea Santschi, Französischlehrerin und Leiterin Alte Kanti Theater