Backstage, Essay, Im Fokus, Sage & Schreibe Nr. 25

Einblick in eine farbige, intakte Infrastruktur

Was es heisst, einen Betrieb wie die Alte Kanti Aarau zu gewährleisten – jeden Tag

Sind Sie bereit für ein kleines Experiment? Nehmen Sie ein Blatt Papier und ein paar Farbstifte zur Hand. Die Aufgabe lautet: Zeichnen Sie einen Hauswart!

Nachdem Sie Ihren „Ich-kann-aber-keine-Menschen-zeichnen-Reflex“ abgelegt haben, nehmen Sie höchstwahrscheinlich einen blauen Stift zur Hand. Für das Mänteli. Sicher brauchen Sie auch den grauen Stift für den grossen Schlüsselbund und vielleicht hilft Ihnen auch der braune noch für den Stumpen oder den Besen. Beim Zeichnen steigen in Ihnen womöglich einige Erinnerungen hoch, an den „Abwart“ von damals. Manchmal gütig, manchmal streng hat er Ihre Schule im Griff gehabt. War er für Sie als Kind nicht sogar der heimliche Chef der Schule?


[Bild: Markus Suter]

Das Bild des Abwarts als König hält sich hartnäckig – als romantische Verklärung der Schulzeit – in den Köpfen vieler, obwohl die Realität heute fraglos eine andere ist. Das Berufsbild eines modernen Hauswarts im Allgemeinen und auch ganz speziell an der Alten Kanti hat sich in den letzten Jahren stark weiterentwickelt. So bleiben natürlich die klassischen Aufgaben wie Reinigung und Unterhalt ein zentrales Thema. Der Kontakt mit Lehrpersonen und Schülerinnen und Schüler – und somit das Lösen von alltäglichen „kleinen“ Fragestellungen – gehört selbstverständlich auch immer noch dazu. Die Grösse der Schule und der technische Fortschritt verlangen aber ein vernetztes Denken über diese Bereiche hinaus.
Zum Beispiel wird im Bereich Sicherheit die Schliessanlage seit einigen Jahren elektronische gesteuert. Das Gebäudeleitsystem sendet Meldungen und setzt Alarme ab, die nur eine geschulte Fachperson versteht und die einen auch mal auf dem Liegestuhl in den Ferien erreichen können. Die Zusammenarbeit mit Handwerkern oder Kantonsstellen mitten im Schulbetrieb erfordert Planungs- und Verhandlungsgeschick. Und übrigens: Wir betreiben auch die Sportanlage Telli: fünf Turnhallen, ein Aussenbereich und ein sanierungsbedürftiges Hallenbad, das auch der Öffentlichkeit zugänglich ist. Da ist der Hauswart auch gleich ein (ausgebildeter) Badmeister. Oder umgekehrt.

Für das etwas modernere Hauswartbild sind also definitiv mehr als drei Farben nötig. Zeichnen wir weiter: Was würden Sie beim Stichwort „Information“ für eine Farbe wählen?

Was für den Hausdienstbereich gilt, ist natürlich auch bei den anderen Diensten zu beobachten: Die Bibliothek ist längst zu einem Medienzentrum geworden. Die Bücherausleihe, die klassische Bibliotheksfunktion, ist zwar immer noch zentral, doch hat die Auseinandersetzung mit der rasanten digitalen Entwicklung im Medienbereich – und vor allem auch die Vermittlung des Umgangs damit – das Medienzentrum zu einem unverzichtbaren Dienstleister im Schulalltag werden lassen. Schülerinnen und Schüler erhalten auch dank den Leuten im Medienzentrum den Schwimmring für das Informationsmeer, das uns alle immer mehr umgibt.

Welche Farbe hat eine Drehscheibe?

Sekretärinnen, die Listen und Briefe auf Anweisung hin tippen, sind passé. Sachbearbeiterinnen organisieren in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedern der Schulleitung ihre Ressorts weitgehend selbständig und sind Anlauf- und Auskunftsstelle für Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrpersonen und die Öffentlichkeit. Auch auf der „Drehscheibe Sekretariat“ macht der technische Fortschritt nicht halt:
Als Beispiel soll hier die Schulverwaltungssoftware „schulNetz“ erwähnt sein. In der webbasierten Applikation werden mittlerweile sämtliche Schülerinnen und Schüler, Lehrpersonen und deren tagesaktuellen und individuellen Stundenpläne verwaltet. Bei klassenübergreifenden Kursen wie Schwerpunktfächern mit gleichzeitig mehreren Lehrpersonen in verschiedenen Zimmern steigt die Komplexität rasant. Noten, Absenzen, Dateiablage und Kursanmeldungen und viele weitere Aspekte eines Schülerlebens gilt es gleichwohl korrekt abzubilden. Man stelle sich vor: Zu jedem Semesterende werden zirka 15’000 Einzelnoten zu Zeugnissen verarbeitet.
Aber auch im digitalen Zeitalter, in dem der weitaus grösste Teil der Kommunikation über E-Mail läuft, verlassen im Durchschnitt fünfzig Briefe pro Tag das Sekretariat … und mindestens so oft klingelt das Telefon. In den „heissen“ Zeiten zu Semesterende oder -beginn offenbart sich das Sekretariat als pulsierende Herzkammer der Schule.

Welche Farbe hat die Naturwissenschaft?

Die Mitarbeitenden im Labor füttern längst nicht nur Mäuse. Die Einbindung in die konkrete Unterrichtsvorbereitung mit all ihren pädagogischen Fragen ist massgeblicher Bestandteil der täglichen Arbeit. Dank ihnen ist es möglich, dass der naturwissenschaftliche Unterricht nicht nur aus dem Studium von Skripten und Powerpoint-Folien besteht. Im normalen Unterricht wie auch im Praktikumsunterricht kann dank der anschaulichen Versuchsanordnungen im Physik-, Biologie- und Chemieunterricht ein Praxisbezug hergestellt werden, der den Stoff im wahrsten Sinn „begreifbar“ macht. Oder haben Sie schon einen Axolotl in echt gesehen?

Wie zeichnet man einen digitalen Datenstrom?

Der Informatiksupport ist vom Einmann-Betrieb auf ein Team mit vier Fachleuten angewachsen. Auch hier lässt der digitale Fortschritt und die Bedürfnisse und Sorgen von 2000 Usern kaum Luft für ein Durchatmen. Das IT-Team betreut zum Beispiel für zwei Schulen (Alte Kanti und Kantonale Schule für Berufsbildung) an verschiedenen Standorten über 700 PCs, 100 Wlan-Access-Points, 60 Drucker, 90 Beamer, 54 Windows- und Linux-Server und 25 Websites. Darüber hinaus werden Ersatz- und Neuanschaffungen geplant und umgesetzt, Anleitungen für die Benutzer geschrieben und das System sicherheitstechnisch überwacht.

Die Farbschachtel wird langsam zu klein.
Nun ein paar Grautöne. Keine Angst, es sind weniger als 50.

Wer täglich „dienstleistet“, der ist früher oder später auch mit dem Dienstleisterdilemma konfrontiert: Service kontra Eigenverantwortung des Kunden. Ein (vereinfachtes) Beispiel: Eine Schülerin kommt zum dritten Mal am gleichen Tag ins Sekretariat und fragt, ob man ihr nicht das Formular X ausdrucken könnte. Sie hätte sonst Stress mit dem Lehrer, wenn sie es nicht abgeben könne. Bin ich als Sekretariats-Mitarbeitende so nett, biete den Service und helfe ihr aus der Patsche oder verweigere ich mich, weil die Schülerin ja ganz einfach selber via schulNetz-Dateiablage auf das Dokument zugreifen könnte und ich ihre offensichtliche Bequemlichkeit nicht unterstützen möchte?
Mit anderen Worten: Sämtliche dienstleistende Mitarbeitende der Alten Kanti sind täglich im Spannungsfeld zwischen Serviceleistung und Abgrenzung unterwegs. Ihre Arbeit findet nicht im luftleeren Raum, sondern im komplexen und sehr lebhaften Kontext unserer Schule statt. Da ist eine hohe Sozialkompetenz gefragt und auch der Umgang mit sich selber muss bezüglich der Grenzen der eigenen Ressourcen ständig überprüft werden.

Und jetzt wieder bunt:

Dass das Wachstum der Alten Kanti in den letzten Jahren gelungen ist, hängt nicht zuletzt auch mit dem Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Hintergrund zusammen. Auch im Angesicht mehrerer aufeinanderfolgender Lohnnullrunden meine ich zu spüren, dass die Motivation, für den Betrieb Alte Kanti das Beste zu leisten, vorhanden ist. Es freut mich daher besonders, dass diese Ausgabe den Fokus auf die Leute richtet, die ihre Arbeit oft unspektakulär im Dienste für einen reibungslosen Schulalltag verrichten – jeden Tag. Herzlichen Dank dafür!

Und Ihnen, sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser, danke ich, dass Sie mitgemalt haben. Und versuchen Sie doch wieder einmal, einen Menschen zu zeichnen, es muss ja kein Hauswart sein. Es gelingt bestimmt!

Stefan Märki, Leiter Dienste