Es war das Buch «The Magic of Tidying-up», das Carla Opetnik den Anstoss für ihre besondere Lebensweise bot. Heute ist es Carla selbst, die ihre Mitmenschen «mit einer Prise Ungeduld» und grossem Engagement zum Nachdenken bewegen will, um die Welt ein Stück offener – grüner – zu machen. Ihre Leidenschaft vermittelt die Zürcher Studentin in zahlreichen Projekten wie «bonnieversum» oder «minimalwastezurich». Im Web-Interview bietet sie uns einen Einblick in eine alternative Welt –eine, welche die Bedeutung von Konsumverzicht thematisiert und den Begriff der «Nachhaltigkeit» in ein neues Licht rückt.
Von Tatjana Gligorevic, Nick Häusler und Anna Piani, G19A
[Bild: zVg]
Carla Opetniks Tag beginnt mit einer Dusche. Dann die Velofahrt zum Take-Away, einkaufen, Mittagessen in der Mensa. Wenn sie unterwegs ist, trägt sie stets wiederverwendbare Becher und Taschen bei sich, besucht Unverpacktläden, die Lebensmittel zum Abfüllen anbieten, verwendet Badeartikel in Seifenform und besitzt ein Gemüse-Abo für günstiges Gemüse, dem der Kompost droht. Carla Opetnik lebt «Zero Waste». Und das seit nunmehr vier Jahren.
Anfangs war sie knallhart mit sich selbst, wollte alles richtig und nachhaltig angehen – und verlor dabei das eigentliche Ziel aus den Augen. Nachhaltig zu leben ist schliesslich ein Lernprozess. Sie schmunzelt, als sie uns berichtet, wie sie sich mit grossen Glasbehältern und Baumwollsäcken ins Abenteuer stürzte. Heute geht sie deutlich gelassener mit der Sache um. Auch mit dem anfänglichen Unverständnis der Eltern gegenüber ihrer Lebensweise hat sie umzugehen gelernt – und mittlerweile lässt sich ihre Mutter sogar gelegentlich von der Tochter inspirieren. «Das Wichtigste dabei», sagt Opetnik augenzwinkernd, «sie versucht es.»
Es sind nämlich die kleinen Dinge, Entscheidungen und Intentionen, die den Unterschied ausmachen. Für sich selbst beispielsweise hat Carla herausgefunden, dass sie auf das Reisen nicht komplett verzichten will. Also überlegte sie sich eine Strategie: Wenn sie nicht ums Fliegen herumkommt, soll ihr Aufenthalt in Wochen mindestens der Anzahl Flugstunden entsprechen. Wer so denkt, stellt zwangsläufig den Verzicht über die spontane Befriedigung von Bedürfnissen.
Carla Opetnik erzählt uns eine Geschichte, die ihr besonders naheging, und muss dabei breit grinsen: Im Engadin wurde sie neulich trotz Brille und Schal beim Snowboarden erkannt und angesprochen, was für sie im ersten Moment «total absurd» war. «Aber da habe ich gemerkt: Hey! Ich mache das nicht nur für mich – Es inspiriert auch andere!»
Obwohl die Studentin für ihre Lebensweise öfter Lob und Zuspruch erntet, sitzen Aussagen wie die, dass sie allein ohnehin nichts verändern könne, meist tiefer. «Menschen mögen Veränderungen oft nicht», erklärt sie. Doch jede und jeder sollten so ehrlich sein, sich ab und zu die richtigen Fragen zu stellen. «Es ist unangenehm, sich mit den Problemen unserer Erde auseinanderzusetzen», sagt sie. Aber man müsse unangenehm sein. Auch mit sich selbst. Schliesslich gehe Widerstand immer von unangenehmen Minderheiten aus, und ohne Widerstand gebe es keine Bewegung – und schon gar keine Veränderung.
Was also können wir nun tun, um nachhaltiger zu sein? – Nachhaltigkeit, sagt Opetnik, sei nicht auf einen Punkt begrenzt: deshalb geht es darum, sich mit dem eigenen Konsumverhalten eingehender zu beschäftigen und herauszufinden, was man sich gönnen und der Umwelt zumuten wolle – eben ein langer, individueller Lernprozess. Ihrer Meinung nach ist es schon ein Schritt in die richtige Richtung, dass über Klimaschutz auch in der Politik gestrittenwird. «Vor zehn Jahren wäre eine Abstimmung über ein Klimagesetz undenkbar gewesen. – Deshalb», sagt sie mit Nachdruck, «fangt an, euch Gedanken zu machen – mit Freude. Wir alle haben eine grosse Bewegungsmacht, derer wir uns bewusst werden müssen.» Sie schaut in die Kamera und lächelt. Natürlich meint sie uns. Aber längst nicht nur.
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