2020, Bericht, Im Fokus, Licht, Sage & Schreibe Nr. 32

Hinter dem Scheinwerfer

Das Theater lebt von der richtigen Beleuchtung. Der Job eines Lichtdesigners ist es, die Schauspielerinnen und Schauspieler auf der Theaterbühne ins richtige Licht zu setzen. sage&schreibe hat mit dem Zürcher Lichtkünstler Michael Omlin gesprochen und rückt ein wichtiges, aber oft unterschätztes Handwerk für einmal ins Spotlight.

Das Theater ist ein Platz für grosse Gefühle. Die Beleuchtung trägt viel dazu bei, diese Gefühle auf das Publikum zu übertragen. «Licht ist sehr emotional», meint der Zürcher Lichtkünstler und -designer Michael Omlin, der jahrelange Erfahrung mit Theater und Lichtkonzepten hat. Mithilfe von Licht können Szenen verschärft werden, eine warme Farbe kann eine gemütliche Stimmung erzeugen. Licht kann aber auch im Kontrast zu der eigentlichen Handlung stehen, indem etwa eine liebliche Szene in düsteres Licht getaucht wird. «Auf diese Weise wird mit der Wirkung des Geschehens auf das Publikum gespielt», sagt Omlin.

Das Herzstück einer Aufführung sind Text und Schauspieler. Bühnenbild, Licht und Ton werden als weitere Erzählmittel eingesetzt und können verstärkende oder kontrastierende Aspekte in ein Theaterstück hineinbringen; sie sind eng miteinander verbunden und tragen viel zur kreativen Inszenierung bei. Das Licht kann durchaus auch mal das Bühnenbild ersetzen, indem es zum Beispiel einen Ort mit einer bestimmten Lichtkombination darstellt. Das habe eine weniger offensichtliche Wirkung, unser Unterbewusstsein nehme es aber dennoch wahr, erklärt der gelernte Elektromonteur Omlin.


[Bild: Irina Wagener]

Der Lichtdesigner arbeitet hauptsächlich mit warmen und kalten Weisstönen. Die Platzierung der Scheinwerfer kann ganz unterschiedliche Effekte erzeugen: Licht, das von oben kommt, wirkt viel natürlicher als Licht von der Seite, weil es für uns ganz selbstverständlich ist, dass auch das Sonnenlicht von oben herunterstrahlt.

Das Lichtkonzept wird jeweils mit der Regie besprochen. Die Schauspieler allerdings haben kaum Mitspracherecht. Omlin erzählt von einem Stück mit einer ganz extremen Lichtdramaturgie: «Die Schauspieler wussten nie, ob sie in der nächsten Szene im Licht oder im Dunkeln stehen, weil nach und nach immer mehr Spotlights verschwanden. So hörte das Publikum den Text manchmal nur aus dem Off, wenn der Beleuchtungsmeister es so wollte.» Dies war eine besondere Herausforderung für die Schauspieler, aber ein Vergnügen für Omlin, weil das Bühnenlicht für einmal eine Hauptrolle spielte.

«Licht ist grundsätzlich etwas sehr Persönliches», betont Michael Omlin. «In jedem von uns löst es andere Gefühle aus.» Zweifellos eine Herausforderung für den Lichtdesigner. Aber genau dieses Spiel mit dem Licht ist es, was Omlin fasziniert und mit dem er die Zuschauer gern auch mal hinters Licht führt.

Michael Omlin, Lichtdesigner und bildender Künstler
Aufgewachsen in Aarau, lebt und arbeitet er heute in Zürich. Er arbeitet in den Bereichen Theater, Tanz und Architektur mit Licht und entwirft entsprechende Konzepte dafür. Als Künstler kreiert er Lichtobjekte, Installationen und Projektionen; dabei interessiert ihn immer die Wirkung von Licht im Aussen‐ wie im Innenraum. Seine Kreationen werden im In- und Ausland ausgestellt. michaelomlin.ch

Von Olivia Diepers und Magdalena Schenk, G3L