Abnehmend, zunehmend, voll, leer. Der Mond hat viele Gesichter und weckt seit dem Beginn der menschlichen Existenz unsere Neugierde. Es existieren etliche Mythen über den hellsten Himmelskörper am Nachthimmel. Der wohl bekannteste ist der des schlechten Schlafs. Nicht selten wird eine unruhige Nacht auf den vollen Mond geschoben. Auch manche Kritiker, die von unwissenschaftlichen Deutungen sonst nicht viel halten, geben zu, dass sie dann schlechter schlafen. Aber was steckt wirklich dahinter?
Nicht wenige Forscher haben schon versucht, den Auswirkungen von Mondlicht auf das irdische Leben auf den Grund zu kommen. Doch trotz der vielen Studien hat man bis jetzt keinen wissenschaftlichen Zusammenhang zwischen dem Mond und dem menschlichen Verhalten feststellen können.
Aber wenn Wölfe den Vollmond anheulen und Schleiereulen immer zu dieser Zeit im Monat am erfolgreichsten jagen, wieso sollen wir Menschen dann vom Mondzyklus unbeeinflusst sein? Und wenn uns allen bewusst ist, dass der Mond die Gezeiten kontrolliert, ist dann die Schlussfolgerung, dass er auch andere Effekte auf unseren Planeten hat, nicht logisch? Würde es nicht Sinn ergeben, wenn die Kraft, die er auf unsere Gewässer ausübt, auf die eine oder andere Weise auch unser Leben beeinflusst?
[Bild: Sarah Böhler]
Physikalische Kräfte
«Ja, der Mond übt eine Kraft auf die Erde und somit auch auf uns Menschen aus: die Gravitationskraft. So lassen sich auch Ebbe und Flut begründen», erklärt Jonas Käser, Physiklehrer an der Alten Kantonsschule Aarau, bei einem aufschlussreichen Gespräch über den Mond. «Doch jedes Objekt im Universum übt Gravitationskraft auf uns aus und trotzdem bekommen wir davon nichts mit.» Diese Kräfte sind aufgrund unserer winzigen Grösse einfach viel zu klein, weswegen sie unseren Alltag nicht beeinflussen. «Was der Mond hingegen tatsächlich beeinflusst», ergänzt Käser, «ist die Länge unseres Tages. Ohne Rotation des Mondes um die Erde, würde ein Tag nämlich nur etwaacht Stunden beinhalten.» In diesem Sinne hat der Mond definitiv eine Auswirkung auf unser Leben. Doch ein physikalischer Zusammenhang zwischen den Mondzyklen und unserem Schlafverhalten ist gemäss Käser auszuschliessen.
Psychologische Einblicke
Auch mithilfe von Psychologie kann man nicht beweisen, inwiefern der Mond schuld an unserem schlechten Schlaf sein soll. Dafür aber, wieso wir Menschen daran glauben. Melanie Ramseyer, Psychologielehrerin an der Alten Kantonsschule Aarau, erkennt einen der Gründe in der selektiven Wahrnehmung. «Schlafen wir ausgerechnet in einer Vollmondnacht schlecht, stellen wir automatisch einen Zusammenhang her», erklärt sie. «Schlafen wir in einer Vollmondnacht hingegen gut, nehmen wir dies meist gar nicht wahr.» Wir sehen also nur, was wir sehen wollen.
Unsere Erwartungen spielen ebenfalls eine grosse Rolle. «Rechnen wir nämlich damit, bei Vollmond schlechter schlafen zu können, ist die Wahrscheinlichkeit, dass dies geschieht, automatisch erhöht», erläutert die Psychologin. Erwartungen steuern unsere Wahrnehmung und unser Verhalten. Und jedes Mal, wenn wir bei Vollmond schlechter schlafen als sonst, fühlen wir uns in unserem Glauben bestätigt, was unsere selektive Wahrnehmung dann wiederum verstärkt. Ein ewiger Kreislauf.
«Ein weiterer Punkt ist unser menschliches Bedürfnis, Erklärungen für unser Verhalten zu suchen, die ausserhalb von uns selbst liegen», meint Ramseyer. Unser Handeln auf die Mondzyklen zu schieben, ist der Versuch, unerklärliche Ereignisse erklären zu wollen. Antworten in den Sternen zu finden, gibt uns zudem das Gefühl, Teil des grossen Ganzen zu sein. Wir sind schliesslich keine vom Rest des Planeten unabhängige Wesen, auch wenn wir dies manchmal gerne glauben würden.
Aus wissenschaftlicher Sicht, dies bestätigen Jonas Käser und Melanie Ramseyer übereinstimmend, gibt es also keine Zusammenhänge zwischen dem Mond und unserer Schlafqualität. Seine Kräfte steuern unser Verhalten nicht. Und doch lässt sich nicht leugnen, dass wir Teil dieses Systems sind; wir gehören zum Rhythmus des Universums. Genau deswegen ist und bleibt der Glaube an den Einfluss des Mondes verständlich.
Von Dominique Tanner, G3L