2020, dies&das, Kolumne, Pausengeflüster, Sage & Schreibe Nr. 32

Schall und Rauch

Wer kennt sie nicht? Die Lehrer, die schneller als ihre Schüler aus dem Zimmer flüchten. Sobald es zur Pause klingelt, sind sie weg. Spurlos verschwunden. Sie sitzen die ganze Stunde wie auf Nadeln, wartend auf das Läuten der Glocken und lassen alles stehen und liegen, wenn sie es hören. Als wäre es ein Wettrennen, wer zuerst draussen steht. Was haben sie nur? Finden sie Simon zu anstrengend, da er überhaupt nichts kapiert? Ist die Klasse zu wild oder zu laut, sodass die sensiblen Ohren schmerzen? Erschöpfen wir sie so sehr, dass sie vor uns fliehen, sobald es ihnen erlaubt ist?
Liebe Schüler und Schülerinnen, ihr müsst euch keine Sorgen machen, es hat nichts mit uns zu tun. Es ist nicht, dass wir stinken oder die Lehrer uns nicht leiden können. Es ist auch nicht deshalb, weil wir die Hälfte des Unterrichtsstoffes nicht verstehen und die Lehrerinnen uns alles dreimal erklären müssen. Und für einmal ist es auch nicht wegen Corona, denn niemand hat Angst, sich bei uns anzustecken. Nein, es hat rein gar nichts mit uns zu tun. Ihre Sucht befriedigen. Das ist der einzige Grund für ihren Drang nach draussen. Egal, bei welchem Wetter, unsere lieben Lehrer stehen in jeder Pause im Freien. Natürlich, die Geniesser gibt es auch, welche ihre Zigarre voller Leidenschaft auskosten. Viele gehen auch rauchen, um ein wenig mit ihren Arbeitskolleginnen zu schwatzen. Wahrscheinlich philosophieren sie rauchend über die Welt – oder lästern über ihre Schülerinnen und Schüler.
Bei allen ist dasselbe zu beobachten: Zuerst wird das Feuerzeug aus der rechten Manteltasche gezogen, dann die Schachtel aus der linken. Rot, Weiss, Gelb oder Blau. Zigarette oder Zigarre in den Mund – und schon ertönt das Klicken. Es fällt auf, dass sie sich erst entspannen, wenn die zierliche Flamme langsam die Spitze des Stängels rot anmalt. Dann atmen sie tief ein, sodass sich der Bauch unter dem Mantel anspannt, und pusten beglückt den Rauch in die kalte Luft. Während sie den blaugrauen Schwaden hinterherschauen, nicken sie ihren Kollegen oder Schülerinnen zu, die sie passieren. Immer das Gleiche, jeden Tag. In jeder Pause am gleichen Platz. Wenn sie Glück haben, gesellt sich ein Gesprächspartner oder eine Gesprächspartnerin dazu. Manchmal gibt es eine richtige kleine Clique, zum Beispiel vor dem Einstein. Rollköfferchen neben Aktentaschen, so stehen sie da. Manchmal sitzen sie auch auf den Bänken neben der Mensa, das ist wetterabhängig. Einige gehen ins «Wäldchen». Man weiss nicht genau, ob sie glauben, dort unentdeckt zu bleiben, oder ob sie einfach die Gesellschaft von Bäumen mögen. Immer aber können sie auf den Stammgast zählen, die mysteriöse, dunkel gekleidete Person, die sich in jeder Pause vor dem Aqua befindet.

Von Kiana Gombosi, G3L