2025, Aktuelles, Bericht, Im Fokus, Sage & Schreibe Nr. 40, Stress

Social Media Detox 

Die Anti-Stress-Therapie im Selbstversuch: Zwei Redaktorinnen von sage&schreibe haben sich eine zweiwöchige Pause von jeglichen Sozialen Medien auferlegt. Ziel des Experiments: unnötigen Stress durch Medienkonsum vermeiden und den Alltag so stressfrei wie möglich bewältigen. Inwiefern das gelungen ist, haben die beiden in Erfahrungsberichten festgehalten.

Von Vivien Arnold und Luisa Dambach, G21K

Tag 1

Luisa: Ich hatte kein Verlangen nach den sozialen Medien und konnte mich während der Pausen gut anderweitig beschäftigen. Die grösste Herausforderung war allerdings, nicht aus Versehen und reiner Gewohnheit irgendwelche Apps zu öffnen. Als ich am Morgen auf den Bus wartete, wollte ich automatisch Instagram öffnen, dann fiel mir glücklicherweise sofort ein, dass ich ja genau darauf verzichten wollte. Was mir auch einfiel: Gemäss einer Studie sind Jugendliche ja durchschnittlich drei Stunden pro Tag auf den sozialen Netzwerken aktiv und am Wochenende sogar bis zu fünf Stunden. Nun war mir alles klar: Es geschieht automatisch, man tut es einfach – und verweilt dann stundenlang in diesen Netzwerken. – Um nicht ein weiteres Mal auf mein automatisches Handeln hereinzufallen, blendete ich meine Apps einfach aus. Und freute mich bereits auf die nächsten Tage.

Vivien: Die Bewältigung des ersten Tages hatte ich mir deutlich schwieriger vorgestellt. Auch wenn es immer wieder Momente gab, in welchen ich mein Handy rein aus Gewohnheit hervornahm, hatte ich keine grosse Mühe, auf die Sozialen Medien zu verzichten. Im Gegenteil, ich war wahnsinnig produktiv, vor allem mit dem Erledigen von Schulsachen. Herausfordernd wurde es erst am Abend: Bevor ich ins Bett gehe, bin ich üblicherweise auf Instagram – heute musste ich mich anders beschäftigen. Anstatt ziellos rumzuscrollen, hörte ich mir eine Folge eines Podcasts an. Daraufhin ging ich früh zu Bett.

Tag 2

Luisa: Heute war ich tagsüber so beschäftig, dass ich sogar froh war, dieses Experiment mitzumachen und auf die sozialen Medien zu verzichten. Aber am Abend stellte ich mir die Frage, wie ich mich denn nun mit meinen Freunden austauschen sollte. Es wurde mir bereits am zweiten Tag bewusst, wie viel ich eigentlich über die sozialen Medien kommuniziere und erfahre, was andere gerade tun. Ich stellte fest, dass meine Nutzung der Sozialen Netzwerke mehr darin besteht, mit anderen zu kommunizieren, als mir irgendwelchen Content anzuschauen, der gerade im Trend ist.

Tag 3

Vivien: Heute sind mir zwei Sachen aufgefallen. Zum einen merkte ich, dass wir in der Schule aufgrund der Digitalisierung oft und lange vor dem Laptop sitzen. Ich mache mir nämlich im Unterricht Notizen auf dem Tablet, was heisst, dass ich jede Lektion vor dem Bildschirm verbringe. Zudem ist mir aufgefallen, dass ich viel mehr Energie für persönliche Kontakte habe. Ich habe schon jetzt das Gefühl, gesprächiger geworden zu sein und allgemein mehr das Verlangen zu haben, Zeit mit Familie, Freundinnen und Freunden zu verbringen.

Tag 4-5

Luisa: Meine Freundinnen und Freunde erzählten mir in den letzten Tagen häufig von Dingen, die sie auf den sozialen Plattformen gesehen hatten. Oder bildete ich mir das nur ein? Jedenfalls fragte ich mich an Tag 4 zum ersten Mal, ob ich vielleicht etwas verpasste. Zudem: Ich konnte nicht mehr bei allen Themen mitreden. Es wurde mir immer klarer, wie häufig sich unsere Generation dieser Informationskanäle bedient. Dabei könnte man sich News auch über herkömmliche Kanäle wie Tagesschau oder Tageszeitung beschaffen. Genau das tat ich nun – und war erstaunt, in wie kurzer Zeit ich mich über das Tagesgeschehen informieren konnte.

Tag 6-8

Vivien: Die letzten Tage langweilte ich mich manchmal. Nicht, weil ich nichts zu tun hatte, sondern weil ich mich nicht aufraffen konnte, etwas zu unternehmen. Ich empfand es aber erstaunlicherweise als sehr angenehm, mich wieder einmal zu langweilen. Mit den sozialen Medien wird man ja ständig unterhalten und somit füllt man Langeweile mit Bildschirmzeit. Dass ich Langeweile nach langer Zeit einfach wieder mal zulassen konnte, war eine tolle Erfahrung.

Tag 9-12

Luisa: Heute wurde mir bewusst, wie nützlich die sozialen Medien Im Grunde sein können. Ich war auf der Suche nach einem Geschenk und bemerkte, dass ich mich normalerweise auf Internet-Plattformen inspirieren lasse. Zudem standen die US-Wahlen an, in die ich über die sozialen Medien spannende Einblicke hätte erhalten können. Viele der News-Plattformen haben sich nämlich angepasst und informieren insbesondere für unsere Generation, die Gen Z, auf den sozialen Medien. Ich musste zugeben, ich freute mich sehr auf morgen, denn morgen ist meine Social-Media-Abstinenz zu Ende.

Tage danach

Vivien: Interessanterweise hatte ich am ersten Tag nach Ablauf des Experiments gar keine Lust, auf irgendeine Plattform der sozialen Medien zuzugreifen. Ich verbrachte keine Sekunde in den Sozialen Medien – als wäre das Experiment noch weitergelaufen. Am zweiten Tag wagte ich es nach zwei Wochen zum ersten Mal, ein paar Apps zu öffnen. Ich ging ganz anders an die Plattformen heran; unnötiges Scrollen unterliess ich weitgehend und nahm mir Zeit, die Inhalte bewusster zu konsumieren.

Luisa:Ein paar Tage nach Beendigung des Detox-Experiments waren meine Apps wieder an ihrem ursprünglichen Platz. Vor allem Instagram hatte ich vermisst, und dort schaute ich auch gleich nach, was meine Freunde während der vergangenen zwei Wochen alles veröffentlicht hatten. Anders war es mit TikTok. Ich hatte die App zwar erneut installiert, jedoch verspürte ich kein Verlangen, diese auch zu nutzen.

Fazit

Grundsätzlich war es für uns sehr angenehm, auf sozialen Medienkonsum zu verzichten und somit mehr Zeit für die wirklichen sozialen Interaktionen zu haben. Das Experiment fiel uns beiden entgegen unserer Erwartung eher leicht, obschon die Versuchung zwischendurch gross war, Instagram-Reels anzuschauen. Unsere Schlafqualität verbesserte sich in dieser Zeit merklich, und wir hatten allgemein mehr Zeit im Alltag zur Verfügung.

Das Experiment führte bei Luisa allerdings trotzdem zu Stress, da sie immer befürchtete, etwas zu verpassen, und die virtuelle Kommunikation mit ihren Freunden sehr vermisste. Vivien stresste vor allem die unbewusste Gewohnheit, in bestimmten Momenten intuitiv nach dem Handy zu greifen. Aber dank des Experiments hat sie es geschafft, einen lästigen Stressfaktor loszuwerden.

Bild: Hanna Siegel