Die Aargauer Kantonsschulen müssen – wie schon oft in früheren Jahren – auch bei den bevorstehenden finanziellen Sanierungsmassnahmen ihren Beitrag leisten. Sie haben den Auftrag, für den kantonalen Aufgaben- und Finanzplan 2018-2021 Einsparungen in der Höhe von rund zwei Millionen Franken zu erbringen. Die Rektorenkonferenz hat deshalb zusammen mit der Sektion Mittelschule eine Gesamtschau vorgenommen und eigene Vorschläge in die Spardiskussion eingebracht. Vorgelegt wurden drei Massnahmen. Die erste Massnahme betrifft die Betriebskosten der Schulen. Konkret sollen ab Schuljahr 2018/19 die Schülerpauschalen für Lehrmittel sowie Investitionen im Unterrichtsbereich über alle Kantonsschulen hinweg um je ca. 6% gekürzt werden. Ebenfalls ab Schuljahr 2018/19 werden im Bereich der Alten Sprachen (Latein, Griechisch und Hebräisch) die Synergien zwischen den Schulen besser genutzt, indem der Unterricht regional koordiniert und schulstandortübergreifend durchgeführt wird. Als dritte Massnahme wurde die Einführung eines neuen Unterrichtsmodells an den Kantonsschulen vorgeschlagen, die auf Beginn des Schuljahres 2019/20 erfolgen soll. Die Rektorenkonferenz ist überzeugt, dass dieser Massnahmenkatalog in Anbetracht der aktuellen Situation eine vertretbare Lösung ist, denn er erfüllt den Sparauftrag mit einem pädagogisch durchdachten Leistungsabbau und verteilt die Sparlast auf viele Schultern. Gleichzeitig schaffen die Massnahmen – insbesondere das Unterrichtsmodell 2019+ – in einem schwierigen Umfeld aber auch die Möglichkeit für notwendige Weiterentwicklungen an den Kantonsschulen, indem ein Teil der erzielten Einsparungen für wichtige Verbesserungen und Neuerungen reinvestiert wird.
Ein neues Unterrichtsmodell für die Aargauer Kantonsschulen
Gemäss dem von der Rektorenkonferenz vorgeschlagenen Unterrichtsmodell 2019+ soll an den Aargauer Kantonsschulen ab dem Schuljahr 2019/20 nicht mehr in 45-Minuten-Lektionen, sondern in Lektionen von 80 Minuten Dauer unterrichtet werden. Gleichzeitig werden die Stundentafeln aller Bildungsgänge (Gymnasium, Fach-, Wirtschafts- und Informatikmittelschule) revidiert und den heutigen Anforderungen angepasst.
80-Minuten-Lektionen bringen viele Vorteile auf der Sekundarstufe II
Aus der Sicht der Rektorenkonferenz bieten 80-Minuten-Lektionen auf der Sekundarstufe II mehrere pädagogische und schulische Vorteile. So reduziert sich beispielsweise für die Schülerinnen und Schüler die Anzahl der Fächer pro Tag und damit die «Zerstückelung» von Unterrichtsinhalten deutlich. Gleichzeitig sind längere Lektionseinheiten für viele Lernformen ein günstigeres Zeitgefäss als 45-Minuten-Lektionen, denn sie ermöglichen den Einsatz eines breiten Repertoires an Unterrichtsmethoden und einen Unterricht, in dem Phasen von Instruktion, selbständigem Lernen und individualisiertem Unterricht gut aufeinander abgestimmt werden können. Schliesslich fördern längere Lektionen die vertiefte Auseinandersetzung mit einem Unterrichtsgegenstand und das problemlösende Lernen – genau das, was auf der Sekundarstufe II im Zentrum steht. Erfahrungen anderer Schulen im In- und Ausland zeigen zudem, dass sich Langlektionen in der Praxis bewähren und bei Schülerinnen und Schülern, Lehrpersonen und Eltern in der Regel auf grosse Akzeptanz stossen.
Revidierte und aktualisierte Stundentafeln in allen Bildungsgängen
Die Grundausrichtung und die Grundstruktur der Bildungsgänge sind eine wichtige Voraussetzung für die hohe Qualität von Gymnasium, Fach-, Wirtschafts- und Informatikmittelschule im Aargau. Das bestätigen auch externe Bildungsexperten und Vergleiche mit anderen Mittelschulen in der Schweiz. Deshalb sollen Grundausrichtung und -struktur der verschiedenen Bildungsgänge unangetastet bleiben. Die Zusammensetzung und die Gewichtung der Unterrichtsstunden (die sogenannten Stundentafeln) hingegen bilden gewisse gesellschaftliche Entwicklungen und damit verbundene Anforderungen zu wenig ab. Insbesondere beim Gymnasium ist eine Aktualisierung der 20 Jahre alten Stundentafel angezeigt. So haben politische Bildung, digitale Medien, Informatik und Technik heute eine andere Bedeutung als noch vor zwanzig Jahren. Weniger Veränderungen gibt es in den Stundentafeln der drei anderen Mittelschultypen, weil diese Stundentafeln relativ jung sind.
Die fünf wichtigsten Veränderungen im Gymnasium
- Die vorgeschlagene Stundentafel für das Gymnasium verkürzt die Unterrichtspräsenzzeit für die Schülerinnen und Schüler über alle vier Jahre um durchschnittlich rund 5%.
- Das Verhältnis zwischen den beiden grossen Fachbereichen «Sprachen» und «MINT» (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) wird ausgeglichener gestaltet. Konkret wird der Bereich MINT über das Fach Informatik und ein Naturwissenschaftspraktikum gestärkt. Die zweite Landessprache (Französisch, Italienisch) und Englisch werden im Gegenzug gekürzt.
- Das Ergänzungsfach wird gestärkt und soll sich neu über zwei Jahre erstrecken. Damit können die Schülerinnen und Schüler in den oberen beiden Klassenstufen einen weiteren Schwerpunkt setzen. Zudem wird eine Akzentuierung der erfolgreichen zweigliedrigen Struktur des aargauischen Gymnasiums erreicht: Breite der Allgemeinbildung in der Grundstufe, Vertiefung in der 3. und 4. Klasse.
- Politische Bildung und Medienbildung werden in der Stundentafel explizit verankert. Beide Themen sind wichtig und sollen entsprechend das notwendige Gewicht erhalten. Es ist vorgesehen, Medienbildung dem Fach Deutsch und Politische Bildung dem Fach Geschichte anzugliedern.
- Die Ressourcen für die Betreuung der Schülerinnen und Schüler werden erhöht. Konkret geht es um die Entlastung der Klassenlehrer/innen. Dies ist unter anderem notwendig, weil die Betreuung von Schülerinnen und Schüler, die beispielsweise eine Krise durchleben, oder die Integration von Schüler/innen mit einer Behinderung auch auf der Sekundarstufe II sehr anspruchsvoll geworden ist.
Mit dem Unterrichtsmodell 2019+ werden 1.6 Millionen Franken gespart
Das neue Unterrichtsmodell kann Einsparungen in der Höhe von 1.6 Millionen Franken bringen. Gespart wird mit dem Abbau von Unterrichtszeit für die Schüler/innen. Das hat unter dem Strich zur Folge, dass für die Lehrpersonen weniger Pensen zur Verfügung stehen. Mit dem Unterrichtsmodell 2019+ ergibt sich über alle sechs Tagesmittelschulen eine Reduktion von rund zehn Vollzeitstellen. Die Rektorenkonferenz geht davon aus, dass der Stellenabbau grösstenteils über natürliche Fluktuation erfolgen kann.
Einbezug der Lehrer/innen
Die Rektorenkonferenz hat am 22. September 2017 im Kultur- und Kongresszentrum Aarau zwei Informations- und Diskussionsveranstaltungen mit allen Aargauer Kantonsschullehrpersonen durchgeführt. Ziel dieser Anlässe war es, den Lehrerinnen und Lehrern das Unterrichtsmodell 2019+ vorzustellen sowie ein Stimmungsbild und Hinweise im Hinblick auf eine allfällige Umsetzung einzuholen. Beide Aspekte – Stimmungsbild und Hinweise – bilden zusammen mit den Beiträgen aus einer anschliessenden rund sechswöchigen Vernehmlassung die Basis für die Meinungsbildung und Entscheidungsfindung in der Rektorenkonferenz. Denn ein so wichtiger Schritt kann nur mit Rückhalt bei den Lehrpersonen erfolgen. Die Rektorenkonferenz schliesst ihren Meinungsbildungsprozess im Dezember ab und entscheidet dann über das weitere Vorgehen.
Grundlage für den vorliegenden Text ist ein im September 2017 verabschiedetes Positionspapier der Rektorenkonferenz der Kantonsschulen Aargau.
Von Dr. Martin Burkard, Rektor Alte Kantonsschule Aarau
Der aktuelle Stand der Diskussion im Zusammenhang mit dem Unterrichtsmodell 2019+ im Beitrag des Regionaljournals Aargau/Solothurn: