2021, Aktuelles, Das zweite Gesicht, Essay, Im Fokus, Sage & Schreibe Nr. 33

Totenmasken

Totenmasken haben in fast allen Gegenden der Welt Tradition. Dieses Phänomen, das Gesicht eines Toten mit einer Maske zu bedecken, reicht weit in die Geschichte zurück und kommt bis zum heutigen Tag vor.

Von Johannes Voss und Olivier Schade, G2A

Totenmasken waren früher ein Teil von religiösen Ritualen und Bestattungsverfahren von Wohlhabenden. Ob bei den Azteken, afrikanischen Stämmen, Ägyptern, Chinesen oder Europäern – Totenmasken waren ein wichtiges Element der jeweiligen Sterbekultur.
Dass sich verschiedene Ethnien und Kulturen unabhängig voneinander für Totenmasken interessierten, ist kein Zufall. Die Ursache hat vor allem einen gesellschaftspsychologischen Hintergrund. Totenmasken ermöglichten kollektives Verehren oder Betrauern von Toten weit über die Bestattungszeremonie hinaus.
Heute finden sie insbesondere in der westlichen Welt immer weniger Verwendung, da sich die Gesellschaft rationaler und nüchterner mit dem Tod befasst.

Gesicht und Identität

In den meisten Religionen wird die Ansicht vertreten, dass die Seele im Moment des Todes den Körper verlässt, um dann in irgendeiner Form von Jenseits zur Ruhe zu kommen. Allerdings werden Verstorbene nicht einfach abgeschrieben; vielmehr werden sie zum Beispiel mit Beerdigungen gewürdigt, oder die Hinterbliebenen erhalten die Erinnerung lebendig mit Bildern und Gegenständen. Auch Totenmasken gehören zu dieser Form der Huldigung der Toten. Schliesslich ist das Gesicht das charakteristische Körperteil des Menschen, denn auf dem Gesicht zeigen sich zentrale Aspekte der menschlichen Identität. Dieses Gesicht soll stellvertretend in Erinnerung zu bleiben.

Verschiedene Techniken

Es gibt grundsätzlich zwei verschiedene Arten von Totenmasken. Entweder ist sie ein Statussymbol, das den gesellschaftlichen Rang des verstorbenen Menschen widerspiegelt, eine edle Verewigung, reich geschmückt mit Edelsteinen und aus wertvollen Materialien gefertigt. Eine solche Maske beruht aber nicht auf den Gesichtszügen der verstorbenen Person, sondern wird mehr als Schmuckstück für das Jenseits betrachtet. Das wohl bekannteste Beispiel ist die Totenmaske des ägyptischen Königs Tutanchamun. In jüngerer Zeit wurden solche edlen Totenmasken allerdings nur noch selten angefertigt. Eher wählte man die realitätsgetreuere Variante, welche dem Abdruck des Gesichts entsprach und mehrheitlich aus Gips geformt war, wie etwa bei Napoleon Bonaparte.
Heutzutage verfügen wir zwar über Fotos und Videos von unseren Geliebten, jedoch erzeugt eine Totenmaske durch ihre Materialität und Dreidimensionalität eine engere, tiefere emotionale Beziehung. Für die Wenigen, die heute noch eine Totenmaske anfertigen lassen, dient sie der Meditation und als bildhafte Vergegenwärtigung des Verstorbenen.