In der «ausverkauften» Aula der Alten Kantonsschule trafen die Talente der literarischen Begabungsförderungsgruppe «Treffpunkt Text» auf die Solist(inn)en der kantonalen Spitzenförderung Musik. Der anspruchsvolle, rundum gelungene literarisch-musikalische Novemberabend war eine Premiere. Mit hoffentlich vielen Nachfolgern.
Mit Klängen Geschichten erzählen. Bilder mit Worten zeichnen. Versuchen Sie es einmal. Sicherlich kommt etwas dabei raus, was Ihnen gefällt. Wenn Sie es aber mit einem Partner tun müssten? Angenommen, Sie erzählen eine Geschichte. Gefällt Ihnen das Bild, welches Ihr Gegenüber dazu zeichnet? Und andersrum: Passt die Geschichte zum Bild?

Weitere Bilder finden Sie in unserer GALERIE.
[Bild: Andreas Neeser]
Echo-Texte
Genau dies war es, worauf sich die talentierten Schreiberinnen und Musiker eingelassen hatten: Fünf Solistinnen und Solisten der «SpiFö» haben Stücke ausgewählt und den Schreiberinnen und Schreibern vorgelegt. Danach haben die Musikerinnen geübt und die Autoren geschrieben. «Echo-Texte», Geschichten, die eine ganz besondere Assoziation aufnehmen, ein Gefühl zum Ausdruck bringen, Erinnerung oder ein Geschehen gestalten. Alles ausgelöst und in Gang gesetzt durch die Musik.
Eine spannende Ausgangslage. Entsprechend war die Aula der Alten Kanti, um es kurz zu sagen, voll. Eltern, Lehrkräfte, externe Schulklassen und einige andere Leute tummelten sich im Saal. Wie es 150 Personen in einem einzigen Raum so an sich haben, war der Lärmpegel nicht gerade unbeträchtlich. Dies änderte sich jedoch schnell, als Andreas Neeser, Leiter von Treffpunkt Text, die Bühne betrat und eine kurze Einführung hielt. Gemeinsam mit Walter Feldmann, dem Leiter der Spitzenförderung Musik, führte er anschliessend durch den Abend.
Musikalisch-literarische Leckerbissen
Das erste musikalisch-literarische Duo bestand aus Julia Fischer (Klavier) und Elisa Rutschi (Wort). Nachdem Julia den 1. Satz aus einer Sonate von Ludwig van Beethoven zum Besten gegeben hatte, erzählte Elisa die Geschichte vom Umzug und Auszug in die Welt, von frischem Wind, von Topfpflanzen, die massgeblich für die Zeitrechnung sind, und von Schnur-Enden, die nicht gehorchen wollen.
Julia Fischer - Beethoven
Elisa Rutschi
«Ohne Schokolade würde ich keine drei Tage überleben.» In diesem Punkt waren (und sind!) sich Lisa Plattner (Wort) und Salvea Friedrich (Flöte) einig, wie Neeser in der Anmoderation verriet. Lisa erzählte von einer tragischen Liebesbeziehung und von einem schrillen Ton, der «aus dem Nichts» kam, «wenn irgendetwas nicht gut war». – Derselbe schrille Ton erklang auch bei Density 21.5 von Edgard Varèse. Wobei «schrill» in der Musik kein Synonym «schlecht» oder gar «störend» sein muss. – Einen Störfaktor hatte die Aufführung dennoch: Einigen Schülerinnen und Schülern in den hinteren Rängen bereitete es offenbar einige Mühe, die erste Anstandsregel für Besucher von Kulturveranstaltungen einzuhalten, die besagt, dass das Publikum während des künstlerischen Vortrags zuhört.
Salvea Friedrich - Varèse
Lisa Plattner
«Stille? – Ist das eine Pause –?», fragte sich im Text von Sofiya Schweizer die Protagonistin, während ihr der Partner seine neuste abenteuerliche Komposition vortrug. Keine Pause, hätte man ihr gerne geantwortet, sondern Julian Remund (Klarinette) beim Atemholen. Sofiya Schweizers Duopartner hatte das Wunder vollbracht, die vollkommene Ruhe im Saal zu kreieren. Nicht ganz unschuldig war dabei sicherlich seine Stückwahl. Brouillasse & Broussaille von Claude Crousier ist nämlich «für halbe und ganze B-Klarinette und Spieldosen» geschrieben. Den Spieldosen-Aufzieher darf man dabei natürlich nicht vergessen.
Julian Remund - Crousier
Sofiya Schweizer
Den Job als Aufzieher meisterte David Müller (Violine) mit Bravour – und präsentierte anschliessend Corrente und Double aus J. S. Bachs Partita No. 1. Passend zum Zeitalter des Barocks antwortete Matthias Schmid mit der eindrücklichen Schilderung eines Degenkampfes. Der Text wurde stellvertretend für den erkrankten Autor von Andreas vorgetragen.
David Müller - Bach
Matthias Schmid (gelesen von Andreas Neeser)
Zum Abschluss stellten Sophie Holma (Klavier) und Sara Trailovic (Wort) unter Beweis, dass es mehr als eine Wirklichkeit gibt. Zur dritten Klaviersonate von Sergei Prokofiev erzählte Sara von drückender Hitze, verschlossenen Seelen und von frischen, bunten Blumen. Dabei folgte sie treu ihrem literarischen Motto: «Schreiben heißt, Belangloses und Außergewöhnliches in möglichst erwähnenswerter Weise zu Papier zu bringen.»
Mission erfüllt, möchte man dazu sagen. Und zwar von allen Talenten. Dass dem so war, zeigte sich am lang anhaltenden Applaus. Bravo.
Sophie Holma
Sara Trailovic
Von Salvea Friedrich, G3L