2018, Im Fokus, Kolumne, Sage & Schreibe Nr. 27, Sinn

ZIRP

Ich hetze auf den letzten Drücker ins Zimmer – geschafft. Mein Kopf braucht etwas Zeit, um sich zurechtzufinden. Also, ganz langsam: Ich sitze in einer Biologiestunde. Biologie zählt dieses Jahr für die Matur, also sollte ich mich nun zwei Stunden konzentrieren. Unser heutiges Thema: Aufnahme und Verarbeitung von Sinnesreizen. ZIRP. Meine Sinne erinnern mich gerade wieder daran, dass es vielleicht doch keine so gute Idee war, kurze Hosen anzuziehen. Vorsichtig löse ich mein Bein vom Stuhl und platziere es etwas weiter rechts; zwecklos – es fängt schon wieder an, am Stuhl festzukleben. ZIRP. Die Hitze ist unerträglich. Wieso bekommen wir bei diesen Temperaturen nicht hitzefrei?

Ich hetze auf den letzten Drücker ins Zimmer – geschafft. Mein Kopf braucht etwas Zeit, um sich zurechtzufinden. Also, ganz langsam: Ich sitze in einer Biologiestunde. Biologie zählt dieses Jahr für die Matur, also sollte ich mich nun zwei Stunden konzentrieren. Unser heutiges Thema: Aufnahme und Verarbeitung von Sinnesreizen. ZIRP. Meine Sinne erinnern mich gerade wieder daran, dass es vielleicht doch keine so gute Idee war, kurze Hosen anzuziehen. Vorsichtig löse ich mein Bein vom Stuhl und platziere es etwas weiter rechts; zwecklos – es fängt schon wieder an, am Stuhl festzukleben. ZIRP. Die Hitze ist unerträglich. Wieso bekommen wir bei diesen Temperaturen nicht hitzefrei?
Als Erstes behandeln wir Vexierbilder. Zwei Gesichter oder eine Vase? Die junge oder die alte Frau? Theorie dazu gibt es natürlich auch. ZIRP. ZIRP. Während meine Lehrerin vorne steht und uns alles bis ins kleinste Detail erklärt – unser Gehirn sieht immer nur das, was es für wichtig hält–, male ich Blümchen auf mein Blatt. ZIRP. Auch meine Mitschüler scheinen ähnlich motiviert zu sein wie ich. ZIRP. ZIRP. ZIRP. Die Reihe hinter mir tauscht sich gerade über das vergangene Wochenende aus; vor mir sinkt ein Kopf immer weiter in Richtung Tischplatte. ZIRP. Mein Banknachbar hat sein Biologiemäppchen zu einem Fächer umfunktioniert. Ein feiner Lufthauch schafft es bis zu mir, herrlich, aber Abhilfe schafft das nicht. ZIRP. ZIRP. ZIRP. ZIRP. Langsam driften meine Gedanken in eine wundervolle Traumwelt ab: Ich stelle mir vor, in einem riesigen Kühlschrank zu sitzen, neben mir eine überdimensional grosse Packung Schokoeis. Es ist zu schön, um wahr zu sein.
Die Erklärungen zu verschiedenen Verarbeitungsarten von Sinnesreizen holen mich wieder in die bittere, brütend heisse Realität zurück. Anscheinend gibt es Sinnesreize, die man nach gewisser Zeit gar nicht mehr bewusst wahrnimmt. Das kann ich bezeugen; meine am Stuhl klebenden Beine habe ich zwischenzeitlich ganz vergessen. Jetzt drängt sich dieser Reiz wieder voll in mein Bewusstsein. ZIRP. ZIRP. ZIRP. ZIRP. ZIRP. ZIRP. Ich quäle mich durch einen Text im Biologiebuch. Die Buchstaben wollen sich einfach nicht zu sinnvollen Informationen zusammenfügen. Meinem Gehirn ist es wohl zu heiss, um die Informationen vom Sehzentrum ZIRP ins Lesezentrum ZIRP ZIRP und weiter ins Assoziationsfeld ZIRP ZIRP ZIRP weiterzuleiten. Etwas ist also doch hängengeblieben. Erstaunlich, aber mein Gehirn ist nach fast drei Jahren AKSA natürlich dafür konditioniert, in den unmöglichsten ZIRP Situationen noch Wissen aufzunehmen. ZIRP. ZIRP. ZIRP. ZIRP. ZIRP. ZIRP. ZIRP. Endlich ist die Stunde geschafft. ZIRP. ZIRP. ZIRP. ZIRP. ZIRP. ZIRP. Ich raffe meine Sachen zusammen. ZIRP. ZIRP. ZIRP. ZIRP. ZIRP. ZIRP. ZIRP. ZIRP. ZIRP. ZIRP. Während ich mich aus dem ZIRP Zimmer in Richtung frische Luft schleppe, höre ich gerade noch ZIRP, wie meine Lehrerin anmerkt: «Ich hoffe, die Grillen haben Sie nicht allzu sehr gestört, die Geckos hätten sie eigentlich schon längst auffressen sollen.» ZIRP.

Von Evamaria Fuchs, Mirjam Sutter, G3L