2017, Im Fokus, Luft, Reportage, Sage & Schreibe Nr. 26

Hotel Zulu Zulu: ready for departure!

Abheben, aufsteigen in den Himmel – und fliegen. Der alte Traum der Menschen. Wir haben ihn wahr werden lassen. Und sind heil wieder gelandet.

Während der Fahrt zum Flugplatz Grenchen bekommen wir vom Mann, der uns gleich in den Himmel begleiten wird, eine erste Lektion in Aviatik. «Seht ihr die Wolken dort drüben? Dort ist der Beginn der Regenfront!», erklärt Christoph Schenk, der ehemalige Schüler der Alten Kanti Aarau. 1987 machte er die Matura, ist künftiger Altherren-Präsident der Verbindung Argovia Aarau. Und eben: Privatpilot.


[Video: Pascale Meier & Nicolas Studer]

Am Flughafen Grenchen angekommen, machen wir uns zuerst auf die Suche nach unserem Flugzeug, denn der Hangar steht leer. Wetterfest verpackt finden wir unsere Cessna 340A schliesslich auf einem Parkfeld. Die Cessna 340A, Baujahr 1979, ist ein sechssitziges, von zwei Kolbenmotoren angetriebenes und mit einer Druckkabine ausgerüstetes Flugzeug. Wir entfernen gemeinsam die Schutzabdeckung, dann beginnt Christoph Schenk, seine routinemässige Checkliste abzuarbeiten: Er kontrolliert alle Sensoren und die Geschwindigkeitsmessung, vergewissert sich, dass sich kein Wasser in den Tanks angesammelt hat. Alles einwandfrei. Wir betanken die vier Tanks mit Flugbenzin und sitzen kurze Zeit später schon im Flugzeug. Als wir einen Blick ins Cockpit werfen, sind wir froh, dass wir nur als Passagiere mitfliegen. Die unzähligen Schalter und Anzeigen sind beeindruckend. Wir erhalten eine kurze Übersicht über die wichtigsten Fluginstrumente, dann startet Christoph Schenk die Motoren. Jede einzelne Funktion des Flugzeugs überprüft er sorgfältig. Für ihn ist das Routine, einem mit 34 Jahren Erfahrung als Privatpilot macht keiner etwas vor. Das Gesicht von Christoph Schenk entspannt sich, alles scheint einwandfrei zu funktionieren, und wir begeben uns auf das Rollfeld.

«Hotel Zulu Zulu: cleared for take-off!»
Eine ganze Weile stehen wir schon da, als sich unser Pilot per Funk nach dem Grund für die lange Wartezeit erkundigt. Angeblich soll die Landung einer Maschine der Schweizer Armee schuld sein. Und dann erhalten wir tatsächlich die Startfreigabe. Wir rollen auf die Startbahn und beschleunigen unsere Triebwerke auf volle Leistung. Die Cessna beschleunigt in wenigen Sekunden auf Höchstgeschwindigkeit – und wir heben ab.

Vorteile des Instrumentenfluges
Als wir uns einer kompakten Wolkenfront nähern, erklärt Christoph Schenk: «Würden wir Sichtflug fliegen, müssten wir die Wolken nun umfliegen. Doch da wir uns für Instrumentenflug entschieden haben, verlassen wir uns sozusagen blind auf unsere Bordinstrumente und fliegen mitten hindurch. Auch das anstrengende Markieren der Landkarten und das Beachten der Lufträume fällt für uns weg.» Dann gibt es Wetterkunde: Drei Wetterlagen gebe es, die das Fliegen verunmöglichten, sagt Schenk. Zum einen sei das Nebel. Denn auch wenn ein Start möglich sei, bestehe die Gefahr, nicht mehr landen zu können, weil man zum Landen eine Mindestsicht von 50 Metern zum Boden und von 500 Metern nach vorne haben müsse. Bei Gewitterlagen sei das Fliegen riskant; ein Blitz könne das Flugzeug ernsthaft beschädigen. «Die dritte grosse Gefahr», führt der Pilot aus, «ist die Eisbildung. Dies geschieht, wenn die Wassertröpfchenkonzentration in den Wolken (Stratus oder Cumulus) sehr hoch ist und die Tröpfchen eine Temperatur unter dem Gefrierpunkt aufweisen. Beim Aufprall auf das Flugzeug gefrieren sie wegen des Supercooling-Effekts schlagartig und werden zu Eis.» Schenk weist uns auf die Flügelvorderkanten hin, wo sich, wie bei den meisten anderen Flugzeugen, aufblasbare Gummimatten befinden. Die sollen verhindern, dass sich das Eis festsetzt. Trotzdem ist jederzeit Vorsicht geboten, die Flügel müssen durch regelmässige Seitenblicke überprüft werden.

Weitere Bilder finden Sie in unserer GALERIE.

[Bild: Pascale Meier & Nicolas Studer]

Ernsthafte Zwischenfälle hatte Christoph Schenk zum Glück noch keine. «Vor kurzem war ich allerdings mit Freunden auf dem Weg nach Cannes, als auf einmal das linke Triebwerk ausgefallen ist! – Kein echtes Problem zwar, aber ziemlich unangenehm. Wir mussten auf dem nächstgelegenen Flughafen notlanden», sagt Schenk. Und wir schlucken.

Näher bei Gott und doch so weit entfernt
Auf die Frage, wieso er eigentlich Pilot sei, entgegnet Schenk: «Mein Vater war schon Privatpilot. Als kleiner Junge verbrachte ich viel Zeit auf dem Flugplatz Olten. Mit vier durfte ich schon als Co-Pilot mit meinem Vater mitfliegen. Seitdem bin ich vom Fliegen fasziniert. Mit siebzehn begann ich dann selbst zu fliegen. Das Fliegen ist eine komplett neue Welt, zwischen Himmel und Erde – da gehört der Mensch eigentlich nicht hin. Darüber hinaus interessiere ich mich sehr für das Wetter, das man beim Fliegen stets beachten muss.»

Anfangs wollte Schenk Airlinepilot werden. Doch der Beruf habe sich in den letzten Jahren stark verändert. Die neuen Technologien nähmen dem Piloten immer mehr Verantwortung ab. «Schliesslich aber», sagt Schenk, «habe ich mich dank meiner Frau gegen die Linienfliegerei entschieden.»

«Hotel Zulu Zulu: request permission to land!»
Schenk unterbricht das Gespräch, funkt eine Nachricht an den Kontrollturm Grenchen – in Fliegersprache. Diese Unterhaltungen sind faszinierend, aber, wenigstens zu Beginn, wegen des Sprechtempos, der Funkqualität und des Fachjargons nicht leicht zu verstehen. Wir beginnen den Sinkflug, bestaunen ein letztes Mal die Wolken, die an uns vorbeiziehen – und dann erkennen wir in der Ferne die Landebahn des Flugplatzes Grenchen.

Während des Anflugs wird uns noch einmal bewusst, wie viel Können das Fliegen erfordert. Denn der Wind wird jetzt plötzlich stärker, es rumpelt, die Cessna wird ziemlich durchgeschüttelt – und wir auch. Unser erfahrener Pilot bewahrt aber einen kühlen Kopf, landet die Maschine schliesslich sicher und erstaunlich sanft. Irgendwie sind wir nun doch ziemlich froh, wieder auf festem Grund zu stehen. Und gleichzeitig ist da auch das Bedürfnis, gleich noch einmal so einen spektakulären Flug miterleben zu dürfen. Und vielleicht einmal selbst in die Luft zu gehen. Als Pilot.

Von Pascal Meier und Nicolas Studer, G3L