2019, dies&das, Kolumne, Pausengeflüster, Sage&Schreibe Nr. 29

Eine delikate Angelegenheit

Schon als ich am Morgen aufstehen möchte, frage ich mich zum ersten Mal, warum ich mir das antue. Zusammen mit ein paar Kolleginnen einen ganzen Tag nichts essen. Nur um herauszufinden, ob Essen glücklich macht. Was für eine Idee!
Gut, am Morgen nichts zu essen, ist keine hohe Kunst. Das finden auch meine Mitstreiterinnen. Die Wenigen unter uns, die morgens normalerweise etwas essen, haben den kalorienfreien Start in den Tag jedenfalls gut überstanden. Die ersten eifersüchtigen Blicke ernten unsere essenden Klassenkameraden dann allerdings in der Vormittags-Freistunde, die wir grundsätzlich in der Mensa verbringen. Wir schauen ihnen zwar voller Neid beim Essen zu, allerdings ist es zu diesem Zeitpunkt noch kein Hunger, der uns quält, sondern nur die Lust aufs Essen… Die folgende Schulstunde ist auch gut überstanden, danach erwartet uns aber die eigentliche Härteprüfung: die Mittagspause. Überall essende Leute. Schliesslich flüchten wir ins Medienzentrum unserer schönen AKSA, um wenigstens dem Geruch von leckerem Essen zu entgehen. Wir haben solange unsere Ruhe, bis unsere Mitschüler auf die glorreiche Idee kommen, uns mit Fotos ihrer Mahlzeiten zu quälen. Unsere Lust auf Essen hat sich nun wirklich in Hunger verwandelt. Schlechte Laune breitet sich aus, doch trotz einiger winziger Nervenzusammenbrüche überstehen wir die Mittagsstunden.
Es folgt die wohl längste Doppellektion Biologie unseres Lebens. Ich kann sagen, der Nahrungs-(und möglicherweise auch Koffein-)Entzug ist unserer Konzentration nicht gerade förderlich. Nachdem wir die Lektionen überstanden haben, sind wir sehr erleichtert darüber, dass unsere Informatiklektion ausfällt. So können wir sofort in die Stadt einkaufen gehen. All die Köstlichkeiten in den Regalen – fast nicht auszuhalten. Als endlich all unsere Lebensmittel eingekauft sind, eilen wir zu mir nach Hause, wo wir sogleich mit der Zubereitung unseres Abendessens anfangen. Während wir alles für unsere Fajitas bereitmachen, werden einige von uns um ein Haar schwach und sind versucht, ihre knurrenden, hungrigen Mägen mit ein paar Probierhappen zu beruhigen. Dank unserer gegenseitigen Unterstützung gibt aber auch in diesem heiklen Moment niemand auf.
Endlich zwängen wir uns an den Tisch. Hektisch beladen wir unsere Teller, es ist kaum noch auszuhalten. Der erste Bissen: göttlich! Den Rest aber schlingen wir nur so runter. Nachdem wir uns alle noch gefühlt fünf Mal Nachschlag geholt haben, sind wir wieder satt.
Herausgefunden haben wir an diesem Abend zwei Dinge: Erstens ist es sehr schwer, sein Essen zuzubereiten, ohne ein Häppchen probieren zu dürfen. Und Zweitens haben wir zwar nicht zwingend bewiesen, dass Essen glücklich macht, aber definitiv, dass nichts zu essen sehr unglücklich machen kann.

Von Olivia Diepers, G1L