2024, Aktuelles, dies&das, Klartext, Kolumne, Sage & Schreibe Nr. 38

Intellektualitätsposerei 

Von Anna Caviezel, G20F

Es gibt eine sehr spezielle Art von intelligenten Menschen. Die Intelligenz, bei der in einem simplen Apfel die Verkörperung des Guten oder der Unschuld gesehen wird. Es geht nicht darum, etwas zu essen, sondern man erörtert philosophisch dieses nun abstrakte Symbol. Mit solchen Menschen kann jedes banale Gespräch über das Wetter zu einer wissenschaftlichen Debatte über die Flüchtigkeit der Nimbostratuswolken werden. Eine simple oder klare Antwort existiert in dieser Welt schlichtweg nicht. Denn warum soll man etwas verständlich erklären, wenn man alle von seiner scheinbaren Intelligenz überzeugen kann und in jedem Gespräch unbedingt erwähnen muss, dass man «Stolz und Vorurteil» gerne gelesen hat, das Stück Weltliteratur aber ein bisschen zu einfältig fand.

Es wird mit Begrifflichkeiten um sich geworfen, die nicht mal der Duden kennt. Und doch scheint es diese Menschen aufs Tiefste zu befriedigen, wenn sie diesen Schwall an Wörtern ausgekotzt haben, denn sie schauen sich Beifall heischend um und warten vielleicht sogar darauf, dass man klatscht. Es ist, als würden sie in einem intellektuellen Zirkus auftreten, bei dem die wahre Kunst darin besteht, so zu tun, als wisse man alles besser, ohne tatsächlich etwas Substanzielles zu irgendetwas beizutragen.

Auf solche Intelligenz können wir alle getrost verzichten, denn es geht nicht um die Sache, nicht ums Verstehen, nicht um Erkenntnis. Es geht nicht einmal um sich selbst, sondern einzig um den hohlen Kopf, der narzisstisch zur Schau getragen wird.