2020, Aktuelles, Alte Kanti, Bericht, Sage & Schreibe Nr. 32

Kleines neues Virus versus grosse Alte Kanti

Als am 13. März nachmittags die Meldung die Runde macht, dass die Schulen ab der kommenden Schulwoche schliessen würden, ertönt in den Gängen der Schulgebäude das Jubelgeschrei der Schülerinnen und Schüler: Ferien! Und dann erst noch auf unbestimmte Zeit! Jeder Gedanke an das für diese «Ferien» verantwortliche Virus und die unabsehbaren Folgen im Gesundheitswesen oder in der Gesellschaft, jeder weiterreichende Gedanke scheint in diesem Moment sekundär.

So fern (unterrichtend) wie nötig
Und die Lehrerinnen und Lehrer? Beginnen stracks mit der Überarbeitung ihrer Unterrichtsmaterialien und machen sie fernunterrichtstauglich. Aufträge per Mail erteilen? Material als Anhang verschicken? OneDrive als Plattform nutzen? Sich mit OneNote befassen, um so mit den Schülerinnen und Schülern eine Art virtuelles Schulzimmer zu gestalten? Lektionen in Microsoft Teams planen, um sich doch auch ab und zu wenigstens per Video sehen zu können? Man stürzt sich ins virtuelle Unterrichtsexperiment, erprobt vieles, verwirft einiges, verfestigt und perfektioniert weniges, um einen für alle Beteiligten möglichst praktikablen Fernunterricht zu gestalten.
Anstrengend bleibt diese Art Unterricht allemal, physisch (stundenlange Arbeit am Bildschirm statt situative Bewegung im Unterrichtszimmer, ins Blaulicht starren statt den Blick über die Klasse schweifen lassen), psychisch (ein richtiges «Miteinander» will sich auch bei Teams-Konferenzen nicht einstellen, mit Avataren oder Initialen statt der offenen Selbstbildkamera wähnt man sich vor dem Abgrund schwarzer Löcher, die selbst wählbaren Hintergrundbilder der Schülerinnen und Schüler – heute Legoland oder doch lieber Mond? – sind bisweilen erheiternd, oft aber auch nervtötend) wie auch generell organisatorisch, wenn Schülerinnen und Schüler ihre zahlreichen Aufträge im Auge behalten und Lehrerinnen und Lehrer nebst der eigentlichen Unterrichtsgestaltung zwecks besserer Motivation der Klassen stets auch das individuelle Feedback in Form von Korrekturen oder Kommentaren bewältigen wollen.
Um ein Vielfaches belastender wird die Situation naturgemäss mit eigenen schulpflichtigen Kindern, die es nun daheim zu betreuen gilt. Insofern mutet die Wiederaufnahme des Unterrichts auf Primar- und Sekundarstufe am 11. Mai als erster Befreiungsschlag an; und die Rückkehr an die Alte Kanti, zumindest in Form von Halbpräsenzunterricht einen Monat später, als Vorbote einer gewissen Normalität.

So (coro)nah wie möglich
Diese Fast-Normalität kehrt am 10. August in Form von Vollpräsenzunterricht mit Schutzmassnahmen zurück.
Weit weg scheinen die drei Monate des Fernunterrichts, die im Rückblick zu einer Ad-hoc-Weiterbildung der intensiven Art verschwimmen und die zwar – wenig erstaunlich – der zunehmenden Digitalisierung Vorschub leisteten, aber auch allzu enthusiastische Ideen bezüglich computergestützten Unterrichts als reines Wunschdenken entlarvten. Klar scheint inzwischen die Erkenntnis, dass Unterricht von einer Interaktion lebt, die in grossem Masse auf physischer Präsenz beruht, und dass Teams-Konferenzen das Zusammensein im Klassenzimmer keinesfalls gleichwertig ersetzen.
Jubelgeschrei in den Gängen Mitte März? Die Schülerinnen und Schüler hätten sich damals wohl kaum vorstellen können, dass sie einige Monate später zum Schluss kommen: «Alles besser als Fernunterricht!» Und sogar das notwendige Maskentragen zwar mühsam, aber im Vergleich durchaus erträglich finden.
Bis jetzt hat die Alte Kanti die Bewährungsprobe des Präsenzunterrichts mit Schutzmassnahmen relativ gut gemeistert: Gut 1200 Schülerinnen und Schüler und fast 200 Lehrpersonen sowie Mitarbeitende setzen alles daran, dem Virus und seinen Ansteckungsgefahren weiterhin zu trotzen. Ihnen allen sei für ihre Anstrengungen und ihre Solidarität gedankt.

Von Marianne Deppeler, Prorektorin